Seite 2: Biologische Wirkung geringpegeliger tieffrequenter Schalle aus technischen Quellen
7.0 Eine Sensibilisierung durch IS/LFN hat distale und zentrale Komponenten
Es ist sicher problematisch, nach heutigem Stand des Wissens zu physiologischen Schallwirkungen im Zusammenhang mit Lärm überhaupt von Gewöhnung zu sprechen. Aber während es manchen Menschen offenbar gelingt auch bei Vorhandensein mittelfrequenter Störgeräusche moderater Pegel ihre Produktivität zumindest bei niederkomplexen Aufgaben aufrecht zu erhalten, bilden sich bei Belastungen mit Schallen tiefer Frequenzen gänzlich andere, für diese Noxe typische Muster ab: Sowohl in Fallberichten als auch in Laboruntersuchungen in den 80er und 90ern, und aktuell in fMRI-Untersuchungen (fMRI = funktionelle Magnetresonanztomografie) zur zentralen Verarbeitung von IS Signalen zeigt sich, dass eine ständige oder wiederholte Belastung mit tieffrequentem Schall auch bei sehr geringen Pegeln eine physiologische Sensibilisierung der exponierten Personen zur Folge haben kann.
Diese Sensibilisierung hat sowohl zentrale (das Gehirn betreffende) Komponenten, als auch solche, die auf das Innenohr beschränkt sind (distal). Gängigen Theorien zufolge stellen die zentralen Prozesse eine Form der (Über)kompensation (engl.: gain adaption) für den Verlust sensorischen Inputs dar. Tinnitus und Hyperakusie sind dabei häufig genannte frühe Effekte im Zusammenhang mit tieffrequenten Schallbelastungen. Erster Angriffspunkt des Schalls sind dabei die sog. „äußeren Haarzellen“ der Cochlea (Hörschnecke) (OHCs = outer hair cells) mit ihrer besonderen Empfindlichkeit für tieffrequenten Schall, die je nach Frequenz weit unterhalb der Hörschwelle liegt. Bei 20Hz sind die OHCs rund 30dB empfindlicher als es die Hörkurve des Menschen für diese Frequenz vermuten ließe. Dadurch besteht die Gefahr einer OHC-Überbeanspruchung, gerade durch vermeintlich „leise“ Schalle tiefer Frequenz, da durch das fehlende Lautheitsempfinden in diesem Bereich (zunächst) kein Vermeidungsverhalten eingeleitet wird. Eine Überbeanspruchung von OHCs wird dabei häufig durch eine permanente Anregung ausgelöst, die biologische Antwort auf diese Belastung ist oft das Absterben dieser Zellen.
Diese Sensibilisierung hat sowohl zentrale (das Gehirn betreffende) Komponenten, als auch solche, die auf das Innenohr beschränkt sind (distal). Gängigen Theorien zufolge stellen die zentralen Prozesse eine Form der (Über)kompensation (engl.: gain adaption) für den Verlust sensorischen Inputs dar. Tinnitus und Hyperakusie sind dabei häufig genannte frühe Effekte im Zusammenhang mit tieffrequenten Schallbelastungen. Erster Angriffspunkt des Schalls sind dabei die sog. „äußeren Haarzellen“ der Cochlea (Hörschnecke) (OHCs = outer hair cells) mit ihrer besonderen Empfindlichkeit für tieffrequenten Schall, die je nach Frequenz weit unterhalb der Hörschwelle liegt. Bei 20Hz sind die OHCs rund 30dB empfindlicher als es die Hörkurve des Menschen für diese Frequenz vermuten ließe. Dadurch besteht die Gefahr einer OHC-Überbeanspruchung gerade durch vermeintlich „leise“ Schalle tiefer Frequenz, da durch das fehlende Lautheitsempfinden in diesem Bereich (zunächst) kein Vermeidungsverhalten eingeleitet wird. Eine Überbeanspruchung von OHCs wird dabei häufig durch eine permanente Anregung ausgelöst, die biologische Antwort auf diese Belastung ist oft das Absterben dieser Zellen.
Funktionierende äußere Haarzellen sind für das Hören unabdingbar. Sie ermöglichen eine Anpassung des Ohrs an Schallreize unterschiedlicher Intensitäten (Dynamikanpassung) und so den Schutz der für das Hören erforderlichen IHCs (also des Hörvermögens), die tonale Differenzierung und das Herausfiltern wichtiger Informationen aus Hintergrundgeräuschen. Eine beginnende Schädigung der OHCs ist daher mit schwerwiegenden und ihrem gemeinsamen Auftreten spezifischen Symptomen (Syndrom) verbunden, v.a. Hyperakusie, „verstecktem“ Hörverlust und Tinnitus. Das äußert sich oft in vermeintlich unspezifischen Effekten, wie erhöhter Fähigkeit zur Detektierung auch geringpegeliger Schallreize, einer altersuntypisch „guten“ Hörkurve und einer verminderten Fähigkeit einer Unterhaltung bei Hintergrundgeräuschen zu folgen. Häufig ist auch ein Tinnitus die Folge von OHC-Schäden. Bei Kindern kann ein verzögerter Spracherwerb beobachtet werden.
Infraschall kann jedoch die OHCs noch auf einem weiteren Weg schädigen. Bereits mittlere Dosen nicht-traumatischen Infraschalls können im Laborexperiment einen temporären „morbus menière“ hervorrufen, bei dem u.a. die osmotische Regelung des Flüssigkeitshaushalts des Innenohrs stark gestört wird (Endolymphhydrops). Besteht dieser über einen längeren Zeitraum hinweg, so können K+ Ionen aus der Scala Media durch Mikrorisse in die Strukturen des Corti-Organs gelangen und dort die inneren (IHC) und äußeren Haarzellen (OHC) permanent schädigen.
Der Endolymphhydrops gilt als eine der „direktesten“ beobachtbaren Reaktionen des Ohrs auf tieffrequenten Schall. Durch diese Ansammlung von Flüssigkeit in Teilen der Cochlea und dem über das Lymphsystem verbundene Gleichgewichtsorgan werden vielfältige Funktionen des Innenohrs stark gestört (Hörwahrnehmung, extreme Schallempfindlichkeit, Störungen des Gleichgewichtes, schallinduzierter Schwindel). Ein Hydrops wird allgemein als typische Reaktion des Innenohrs auf Überlastung oder Traumata (z.B. Schädigung der Haarzellen) gesehen und erfüllt damit im Zusammenhang mit akuten IS/LFN-Belastungen gewissermaßen eine weitere Indikatorfunktion (Biomarker). Ein spontaner Hydrops aufgrund von moderatem akustischem Stress gilt laut Literatur meist als reversibel, die durch den Hydrops ggf. verursachten Sekundäreffekte (OHC-Schäden) jedoch nicht.
8.0 Die äußeren Haarzellen (OHC) der Cochlea als erster Angriffspunkt für IS/LFN
Die Empfindlichkeit des menschlichen Gehörs, seine Fähigkeit tonaler Auflösung, sein beeindruckender Dynamikumfang, das Isolieren von Information (z.B. Sprache) aus Hintergrundgeräuschen und sein autonomer Schutz vor transienten Belastungsspitzen sind das Ergebnis einer perfekten Zusammenarbeit innerer (IHC) und äußerer (OHC) Haarzellen. Da jedoch in den alten Modellen des Gehörs nur den IHCs eine Rolle an unserer Schallwahrnehmung zugeschrieben wird und sich die Arbeit der OHCs nur mit vergleichsweise aufwendigen Messverfahren beobachten lässt, ist ein adäquates Bewusstsein für die Wichtigkeit funktionierender OHCs derzeit auf die Domäne der Medizin und ansatzweise der Lärmwirkungsforschung beschränkt. Erst seit der Formulierung des Konzepts des „Unsichtbaren Hörverlusts“ (engl.: hidden hearing loss), erhalten OHC-Schäden und deren Folgen langsam mehr Aufmerksamkeit.
Für unsere Betrachtung von IS/LFN-Wirkungen sind zwei Eigenschaften der OHCs von besonderer Bedeutung:
- OHCs sind besonders für tieffrequenten Schall und Infraschall empfindlich
- OHCs erfahren Überlastung / Traumatisierung weniger durch transiente Ereignisse als vielmehr durch permanente (unterbrechungsfreie) Belastungen
Daraus folgt zwangsläufig, dass gerade die äußeren Haarzellen durch Quellen unterschwelliger IS/LFN-Belastungen im Wohnumfeld gefährdet sind.
Derzeit findet daher eine Neubewertung von vermeintlich harmlosen Schalleinwirkungen statt, die zu „temporären“ Hörschwellenverschiebungen (TTS, engl.: temporary threshold shift) führen. Es mehren sich die Anzeichen, dass die zu beobachtende „Erholung“ des Gehörs nach Schallbelastung kein Indikator für eine Regeneration, sondern für eine Kompensation darstellt, die eine eigentlich permanente Schädigung des Innenohrs überdeckt.
Schäden der inneren (IHC) und der äußeren Haarzellen sind bei allen Säugetieren und damit auch beim Menschen irreversibel. Schäden der OHCs gelten als wichtigster Risikofaktor für die Ausbildung altersuntypischer Schwerhörigkeit, die wiederum als ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung von Demenzerkrankungen angesehen wird. Schon ein geringer Hörverlust verdoppelt dabei das Risiko an einer Demenz zu erkranken.
Durch die spezifische Funktion der (beschädigten) OHCs und Mechanismen zentraler Kompensation wird nicht nur der Nachweis einer einsetzenden Schädigung der Cochlea durch die konventionelle Audiometrie erschwert (das Audiogramm wirkt unauffällig oder sogar überdurchschnittlich gut), es erhöht sich auch das Risiko, dass betroffene Personen einen Tinnitus ausbilden. In der Tat sind Tinnitus, eine verminderte Fähigkeit tonaler Differenzierung und die Hyperakusie (als Folge verminderter Fähigkeit zur Dynamikanpassung) hinlänglich bekannte Folgen von IS/LFN-Expositionen.
9.0 Tieffrequenter Schall verändert die Hörwahrnehmung
Mit der einsetzenden Schädigung der Haarzellen und den oben beschriebenen Folgeerscheinungen geht zwangsläufig auch eine veränderte Hörwahrnehmung einher: So sind nicht alle Frequenzbereiche in ihrer Wahrnehmung gleichermaßen betroffen. Schon Mitte der 80er Jahre wurde erkannt, dass OHC-Schäden zu einer veränderten Wahrnehmung führen: Hohe und mittlere Frequenzen werden gedämpft, während tiefe Frequenzen übermäßig aufgebläht, laut und „unscharf“ wahrgenommen werden. Im Englischen wird oft der Begriff „booming“ oder „droning“ (dröhnend) als Beschreibung für diesen Höreindruck verwendet.
Ein typischer Effekt dieser physiologisch bedingten frequenzselektiven Sensibilisierung ist dabei, dass aus unterschiedlichen Quellen stammende, tieffrequente und oft sehr leise Schallreize unterschiedlicher spektraler Zusammensetzung stets als ein lautes, dröhnendes Brummen (typische Beschreibung: „LKW im Standgas“) wahrgenommen werden, aber von der bereits sensibilisierten Person keinem spezifischen Verursacher mehr zugeordnet werden können (Verlust der Fähigkeit tonaler Differenzierung; Phänomen der „LFN-sufferer“ = LFN-Betroffene). Ist diese Stufe auditiver Beeinträchtigung erreicht worden, so gestaltet sich ein Dialog mit nicht-sensibilisierten Personen, wie Ärzten, Akustikern oder Behördenvertretern äußerst schwierig, da es nun nahezu unmöglich geworden ist, einen proportionalen Zusammenhang zwischen objektiven Schallgeschehen (spektrale Signatur, Pegel), Messwerten und subjektiver Wahrnehmung / Belastung herzustellen.
Mit der einsetzenden Schädigung der Haarzellen und den oben beschriebenen Folgeerscheinungen geht zwangsläufig auch eine veränderte Hörwahrnehmung einher: So sind nicht alle Frequenzbereiche in ihrer Wahrnehmung gleichermaßen betroffen. Schon Mitte der 80er Jahre wurde erkannt, dass OHC-Schäden zu einer veränderten Wahrnehmung führen: Hohe und mittlere Frequenzen werden gedämpft, während tiefe Frequenzen übermäßig aufgebläht, laut und „unscharf“ wahrgenommen werden. Im Englischen wird oft der Begriff „booming“ oder „droning“ (dröhnend) als Beschreibung für diesen Höreindruck verwendet.
Ein typischer Effekt dieser physiologisch bedingten frequenzselektiven Sensibilisierung ist dabei, dass aus unterschiedlichen Quellen stammende, tieffrequente und oft sehr leise Schallreize unterschiedlicher spektraler Zusammensetzung stets als ein lautes, dröhnendes Brummen (typische Beschreibung: „LKW im Standgas“) wahrgenommen werden, aber von der bereits sensibilisierten Person keinem spezifischen Verursacher mehr zugeordnet werden können (Verlust der Fähigkeit tonaler Differenzierung; Phänomen der „LFN-sufferer“ = LFN-Betroffene). Ist diese Stufe auditiver Beeinträchtigung erreicht worden, so gestaltet sich ein Dialog mit nicht-sensibilisierten Personen, wie Ärzten, Akustikern oder Behördenvertretern äußerst schwierig, da es nun nahezu unmöglich geworden ist, einen proportionalen Zusammenhang zwischen objektiven Schallgeschehen (spektrale Signatur, Pegel), Messwerten und subjektiver Wahrnehmung / Belastung herzustellen.
Herrührend aus dieser extern induzierten Schwäche unterschiedliche LFN-Quellen differenzieren zu können, stellt sich aus der Perspektive der Betroffenen häufig der Eindruck ein, der Schalleintrag, den sie erstmalig in ihrem Wohnumfeld wahrgenommen haben, sei nun „überall“ anzutreffen. Das trägt einerseits zu einer weiteren Verunsicherung der Betroffenen bei* und lässt sie zudem im Dialog mit Ärzten oder Behörden unglaubwürdig erscheinen. (*| unspezifische Angstgefühle als neurologisch normale Reaktion auf tieffrequente Schallreize sind ein bekannter Effekt und werden daher seit langem in der Unterhaltungs- und Filmindustrie eingesetzt. Die neuronale Basis für eine direkte Verbindung Innenohr – Angststeuerung ist beim Menschen seit ca. 20 Jahren bekannt.)
Mit dem heute zur Verfügung stehenden Wissen um die Mechanismen und Auswirkungen einer physiologischen Sensibilisierung durch (tieffrequente) Schallbelastung auf der Ebene der Cochlea muss daher die zuweilen durch Umweltsoziologen /-Psychologen geäußerte Vermutung, IS/LFN-belastete Personen würden eine „Zwangsaufmerksamkeitsstörung“ für tieffrequente Schallreize entwickeln, als stark veraltet/widerlegt angesehen werden.
Gleichermaßen muss die aus retrospektiv angelegten Untersuchungen von LFN-sensibilisierten Personen („LFN-sufferers“) abgeleitete Hypothese, es handele sich bei deren LFN-Empfindlichkeit um einen psychologischen Effekt (z.B. ein „personality trait“ = Charaktereigenschaft) dringend kritisch überprüft werden. Angesichts der oben dargelegten Mechanismen sollte nachvollziehbar sein, dass eine solche frequenzselektive Empfindlichkeit für Schallreize ohne Hinweise für das Vorhandensein einer zuvor ausgebildeten Misophonie (Abneigung gegen spezifische Geräusche) nur eine rein neuro-otologische, also physiologische Basis haben kann.
Misophonie in Verbindung mit einer frequenzselektiven Hyperakusie und Vermeidungsverhalten als eine Folge einer schallinduzierten Sensibilisierung kann jedoch häufiger beobachtet werden. Dieses Phänomen hat sich in der Vergangenheit auch als recht zuverlässiger Indikator für eine messbare anthropogene IS/LFN-Belastung des Wohnumfeldes erwiesen und kann als natürliche Reaktion (Vermeidung der Noxe) zum Schutz vor weiterer Schädigung aufgefasst werden.
Neben (tieffrequentem) Schall sind auch sog. ototoxische Substanzen in der Lage, die genannten OHC-Schäden hervorzurufen oder zu verstärken. Dazu gehören Medikamente wie Aminoglykoside (Antibiotika) und Cis-Platine (Onkologika) oder Lösungs- und Desinfektionsmittel (z.B. Aceton oder Jod). Dieser Sachverhalt sollte bei entsprechenden Auffälligkeiten der auditiven Wahrnehmung ggf. mit in Betracht gezogen werden.
10.0 Gültige Regelwerke zum Schutz vor Lärm bilden den Stand des Wissens nicht adäquat ab
Basierend auf dem Wissen, dass die Wahrnehmbarkeit tieffrequenter Schallreize durch die Schallbelastung selbst über Zeit eine signifikante Steigerung erfährt (einhergehend mit einer Reduzierung des Dynamikumfangs und dem Verlust tonaler Differenzierung) und dass die Wahrnehmung tiefer Frequenzen ohnehin schon breiter interindividueller Streuung unterliegt, muss die Anwendung statischer Grenz- und Richtwerte dB-Werte für eine Hör- oder Wahrnehmungsschwelle bei tiefen Frequenzen sehr kritisch gesehen werden. Bezieht man die Erkenntnis mit ein, dass diese Sensibilisierung die Folge einer (irreversiblen) Schädigung der Mikrostrukturen des Innenohrs darstellt, so lässt sich allein schon für diesen Aspekt feststellen, dass unsere Regelwerke zum Schutz vor den physiologischen Wirkungen tieffrequenter Schalle dringend einer Aktualisierung bedürfen.
Wirksamer Schutz – und damit auch die Messung und Bewertung tieffrequenter Schalle – muss sich vor allem am Stand des Wissens zu neuro-otologischer Wirksamkeit und nicht allein an der Wahrnehmung orientieren.
Des Weiteren muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass die heute angewendeten psychoakustischen Kurven gleicher Lautstärkepegel (vgl. ISO 226) mit einzelnen Sinus-Reintönen von kurzer Dauer ermittelt wurden, die realen Belastungen aber aus lang anliegenden Signalen mit komplexem Charakter bestehen (komplex = mehrere Frequenzen beinhaltend). Damit ignoriert die DIN ISO 226:2006-04 zwei weitere bekannte physiologische Effekte, die die Detektierbarkeit und das Lautheitsempfinden (und damit die potenzielle Störwirkung) eines IS/LFN-Signals signifikant erhöhen. In Folge dieses methodischen Fehlers werden also auch Verfahren zur Messung und Bewertung von tieffrequenten Schallen, die auf einer Hörwahrnehmung nach DIN ISO 226:2006-04 aufbauen (TA-Lärm, DIN 45680 alt/neu) häufig realitätsferne Ergebnisse liefern, d.h. ihrer Aufgabe des Gesundheitsschutzes bei Anwohnern und Planungssicherheit bei Betreibern nicht gerecht.
Des Weiteren muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass die heute angewendeten psychoakustischen Kurven gleicher Lautstärkepegel (vgl. ISO 226) mit einzelnen Sinus-Reintönen von kurzer Dauer ermittelt wurden, die realen Belastungen aber aus lang anliegenden Signalen mit komplexem Charakter bestehen (komplex = mehrere Frequenzen beinhaltend). Damit ignoriert die DIN ISO 226:2006-04 zwei weitere bekannte physiologische Effekte, die die Detektierbarkeit und das Lautheitsempfinden (und damit die potenzielle Störwirkung) eines IS/LFN-Signals signifikant erhöhen. In Folge dieses methodischen Fehlers werden also auch Verfahren zur Messung und Bewertung von tieffrequenten Schallen, die auf einer Hörwahrnehmung nach DIN ISO 226:2006-04 aufbauen (TA-Lärm, DIN 45680 alt/neu) häufig realitätsferne Ergebnisse liefern, d.h. ihrer Aufgabe des Gesundheitsschutzes bei Anwohnern und Planungssicherheit bei Betreibern nicht gerecht.
Darüber hinaus findet der beschriebene Verlust einer linearen Verhältnismäßigkeit von (tieffrequentem) Schallreiz und dessen Wahrnehmung als ein spezifischer und häufig anzutreffender Effekt als Folge auch unterschwelliger, lang anhaltender IS/LFN-Belastungen aus anthropogenen Quellen in keinem heute gültigen und relevanten Regelwerk auch nur ansatzweise Berücksichtigung (TA-Lärm, DIN 45680 alt/neu). Bei einer gleichzeitigen starken Zunahme anthropogener IS/LFN-Quellen in und an Siedlungszonen wird durch ein solches Ignorieren bekannter neuro-otologischer Effekte zusätzlich zu den negativen gesundheitlichen Auswirkungen dieser Konstellation für den Gesundheitsschutz noch weiteres zukünftiges Konfliktpotenzial geschaffen.
11.0 Extra-aurale Schallwirkungen und die Rolle des Gleichgewichtsorgans
Neben der Cochlea, der Hörschnecke, besitzt das menschliche Ohr noch ein weiteres, hoch komplexes System von Sensoren – das Gleichgewichtsorgan. Dieses setzt sich zusammen aus den Bogengängen und den Otolithenorganen (auch Makulaorgane genannt) und ist zunächst für die Wahrnehmung von linearen Beschleunigungen und Drehbewegungen und so unserer Orientierung im Raum wichtig. Das Funktionieren des Gleichgewichtssystems und seine Auswertung von Informationen zu Schwerkraft und Beschleunigung ist unter anderem von großer Bedeutung für:
- Gleichgewicht (posturale Kontrolle, vermeiden von Stürzen)
- Koordination unserer Bewegungen einschließlich feinmotorischer Abläufe und Muskeltonus
- Raumwahrnehmung einschließlich kognitiver Prozesse mit Bezug aus spatiale (räumliche) Problemstellungen
- Stabilisierung der Blickrichtung (Steuerung von Kopfhaltung und Augenbewegungen)
- Aufmerksamkeit und Konzentration
Weniger offensichtlich und daher erst später Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen ist der direkte Einfluss des Vestibularsystems auf autonome, motorische und höhere Funktionen des Gehirns, sowie auf endokrine Regelungen. Dazu gehören u.a.:
- Blutdruck (Regelung über Vasodilatation, d.h. Weitung und Verengung von Blutgefäßen, daher das Phänomen des „Kältegefühls“ bei IS-Exposition)
- Atmung
- Verdauung
- Schlaf
- Ausschüttung von Stresshormonen
- Kognitiv-mathematische Leistungsfähigkeit
- Merkfähigkeit in Bezug auf räumliche Situationen
Als unser evolutionsbiologisch „altes“ Ohr haben sich dabei die Otolithenorgane eine hohe Empfindlichkeit für tieffrequente akustische Reize bewahrt, lediglich eine bewusste Wahrnehmung ihrer Signale wird unterdrückt.
Vor allem die Macula sacculi, unser Sensor für Beschleunigungen in der Vertikalen, hat nach wie vor einen wichtigen Anteil an der neuronalen Verarbeitung tieffrequenter Schalle: Der vestibuläre Input zum Hörerleben beeinflusst die Bewertung anderer (z.B. auditiver) Wahrnehmungen nach Risikopotenzial. Das bildet sich auch in den neuronalen Anbindungen der Vestibularkerne an höhere Funktionen, wie z.B. das Hörzentrum, ab. Ein Effekt, der z.B. in Soundtracks von Filmproduktionen häufig Anwendung findet, z.B. wenn abstrakte Bedrohung vermittelt werden soll. Das Signal wird dazu über große Subwoofer, den modulierbaren Luftstrom eines Ventilators (sog. Rotary Woofer) oder einen sog. Bass Shaker (Körperschallübertrager) unter den Sitzen der Besucher ausgegeben. Auch moderne Kopfhörer sind in der Lage, diesen „drone of dread“ (dt.: Dröhnen der Furcht) wirkungsvoll wiederzugeben. Eine bewusste Wahrnehmung dieser tieffrequenten Signale ist dabei für ihre Wirksamkeit weder beabsichtigt noch erforderlich.
Der evolutionsbiologische Sinn dieser Koppelung tieffrequenter Stimuli an Furcht und Ablehnung liegt vermutlich in der Vorbereitung von Fluchtverhalten (allgemeine Aktivierung) und im Schutz vor Gefahren (Vermeidungsverhalten). Diese Reaktionen sind nicht bewusst steuerbar und stellen eine normale physiologische Antwort des Menschen auf eine spezifische Signalform des Reizes dar, die Reaktionen des autonomen Nervensystems und des endokrinen Systems miteinschließt. Über eine Gewöhnung an solche Reize ist bislang nichts bekannt. Versuche, deren Wirkungen mittels kognitiver Verhaltenstherapie kurzfristig zu mildern, verliefen weitgehend ergebnislos und fanden daher keine Wiederholung.
Aufgrund ihres grundsätzlich „einfachen“ Aufbaus (Prinzip der Masseträgheit) können die Otolithenorgane grundsätzlich nicht zwischen akustischer Anregung, Körperschall (substrat- oder knochengeleiteter Schall) und Ganzkörpervibration (engl.: WBV = whole body vibration) unterscheiden.
Daraus erklärt sich wahrscheinlich die häufige Wahrnehmung sehr tieffrequenter akustischer Signale als Vibration und teilweise die gegenseitige Beeinflussung vibro-taktiler und akustischer Reize bei niedrigen Frequenzen. Dass Personen, die relativ lange tieffrequentem Schall ausgesetzt waren, diese Schallreize häufig als Vibrationen wahrnehmen und sprachlich oft nicht zwischen luftübertragenem und Körperschall differenzieren, findet seine Begründung auch in der Organisation des Gehirns, das taktile, akustische und vestibuläre Informationen kontinuierlich gemeinsam verarbeitet und bewertet (z.B. zur schnellen Einleitung des Schreckreflexes, engl.: startle response).
Aus der zentralen Rolle der Otolithenorgane im Gleichgewichtssinn des Menschen, zusammen mit ihrer bekannten Empfindlichkeit für tieffrequente Schallreize, lässt sich nun schlüssig herleiten, warum kinetoseartige (Kinetose = „Bewegungs“krankheit) Symptome ein so häufig zu beobachtendes Phänomen in Folge einer (tieffrequenten) Schallbelastung darstellen: Durch ihre Lage im Innenohr werden sie von Schallsignalen relativ leicht aktiviert. Mathematische Modelle des Innenohrs als auch Fallberichte zu permanenten IS/LFN-Belastungen legen nahe, dass Störungen im Lymphsystems des Innenohrs, wie sie als Folge akustischen Stresses häufig auftreten, zwar eine verminderte Sensibilität der Cochlea für luftübertragenen Schall, jedoch gleichzeitig eine Erhöhung der Empfindlichkeit der Otolithenorgane für bestimmte akustische Reize zur Folge haben. Damit werden Schallsignale niedriger Frequenz vom Gehirn als periodische Bewegungen des Körpers fehlinterpretiert. Fehlen dann noch visuelle Bezugspunkte als Korrektiv (z.B. nachts), so kann der entstandene „sensory conflict“ eine Form der Bewegungskrankheit (Kinetose) auslösen.
Das Symptomcluster des „Sopite Syndrome“ (Lat. sopire = einschlafen) wird dabei von einigen Autoren als eine Vorstufe / Teilmenge der Kinetose angesehen, manchmal aber auch als eine eigenständige Erkrankung beschrieben. Das Sopite Syndrome wird – abweichend von der Kinetose – als ein Zustand von Müdigkeit, Erschöpfung, Antriebslosigkeit, der verminderten Fähigkeit zu intellektueller Leistung und der Depression als Folge wirklicher oder „anscheinender“ Bewegung beschrieben und deckt sich damit mit Berichten subjektiver Erfahrungen von IS/LFN-Belastungen. Gähnen wird dabei als ein früher Indikator für das Einsetzen des Sopite Syndrome angesehen. Die Verbindung von vestibulärer Stimulation und den neurologischen und vaskulären Merkmalen des Sopite Syndroms wurde in Laborexperimenten belegt. Untypische Müdigkeit war (neben kardiovaskulären und auralen Effekten) eines der ersten für IS/LFN-Belastungen beschriebenes Symptom.
Das Symptomcluster des „Sopite Syndrome“ (Lat. sopire = einschlafen) wird dabei von einigen Autoren als eine Vorstufe / Teilmenge der Kinetose angesehen, manchmal aber auch als eine eigenständige Erkrankung beschrieben. Das Sopite Syndrome wird – abweichend von der Kinetose – als ein Zustand von Müdigkeit, Erschöpfung, Antriebslosigkeit, der verminderten Fähigkeit zu intellektueller Leistung und der Depression als Folge wirklicher oder „anscheinender“ Bewegung beschrieben und deckt sich damit mit Berichten subjektiver Erfahrungen von IS/LFN-Belastungen. Gähnen wird dabei als ein früher Indikator für das Einsetzen des Sopite Syndrome angesehen. Die Verbindung von vestibulärer Stimulation und den neurologischen und vaskulären Merkmalen des Sopite Syndroms wurde in Laborexperimenten belegt. Untypische Müdigkeit war (neben kardiovaskulären und auralen Effekten) eines der ersten für IS/LFN-Belastungen beschriebenes Symptom.
Schlafmangel gilt als ein Risikofaktor für die Ausbildung der Bewegungskrankheit. Eine Verminderung von Schlaftiefe und -qualität ist jedoch eine bekannte Wirkung auch geringpegliger Belastungen von Wohnraum mit LFN/IS. Hier sind kumulative Wirkungen wahrscheinlich.
12.0 Vestibuläre Wirksamkeit tieffrequenter Stimuli
Die vestibulären Endorgane (Makulaorgane und Bogengänge) sind durch ihre Lage im Innenohr und ihr Funktionsprinzip bedingt verhältnismäßig leicht störbar. Auch die redundante (parallele) Auslegung sensorischen Inputs erhöht die Suszeptibilität des Gleichgewichtssinns gegenüber atypischen Reizen. So lassen nicht nur ungewohnte oder periodische Bewegungsmuster niedriger Frequenz, sondern auch die Simulation solcher Bewegungen durch visuelle oder auditive Reize zuverlässig die Effekte einer Kinetose beim Menschen hervorrufen.
Vestibulär moderierte Effekte beschränken sich jedoch nicht auf die offensichtlichen Symptome wie Schwindel oder unterschiedlich starke Ausprägungen einer Kinetose. Aufgrund seiner evolutionsgeschichtlichen Rolle und ihrer Integration mit den anderen Sinnen, fällt den neuronalen Strukturen des Gleichgewichtssinns eine besondere Bedeutung bei der Ausbildung des Gehirns von ungeborenen Säugetieren zu: Ihre pränatale Entwicklung eilt denen der anderen Sinne voraus, ist dezentraler und weist mehr Verbindungen (Projektionen) in Rückenmark und Hirnarealen auf, die motorische, sowie autonome, also lebenswichtige Funktionen kontrollieren. Damit wird nachvollziehbar, weshalb externe Störungen der im Hirnstamm liegenden Vestibularkerne (Nuclei vestibularis) oder atypische Stimulation der vestibulären Endorgane im Innenohr häufig ein umfassendes und schwerwiegendes Beschwerdebild zur Folge haben können.
Da die Informationen über Bewegungen des Körpers und dessen Lage im Raum für den Menschen überlebenswichtig sind, werden diese nicht nur dem Gleichgewichtssinn (und teilweise simultan dem Kleinhirn) zugeleitet, sondern auch zur Anpassung wichtiger Regelsysteme des Körpers genutzt. Dies geschieht im Wesentlichen durch die vestibulären Reflexe wie z.B. den vestibulo-okulären Reflex (VOR – Blickstabilisierung), den vestibulo-spinalen Reflexen (VSR – Haltung), dem vestibulo-collischen Reflex (VCR – Kopfposition im Raum). Weitere vestibulär evozierte/moderierte Reflexe sind beispielsweise für Atmung, Blutdruck und sympathische Aktivierung bekannt.
Reflexe sind für unsere Betrachtung von Schallwirkungen von besonderem Interesse, da sie schnell Wirkung auf einen Stimulus zeigen, gut beobachtbar sind (nicht-invasiv) und als Reflex definitionsgemäß nicht durch bewusste Prozesse kontrolliert werden können.
Wie bereits zuvor erwähnt, sind die Otholitenorgane des Gleichgewichtsapparates nicht in der Lage zwischen einer Anregung durch Beschleunigung (Vibration, Körperschall) oder einer Aktivierung durch Schall zu unterscheiden. Diesen Sachverhalt macht man sich in der HNO-Diagnostik zunutze wenn man die Funktion des Vestibularapparates untersuchen möchte: Dabei misst man die Aktivierung von Muskeln als reflektorische Antwort auf einen Schallreiz („vestibulär evozierte myogene Potenziale“, abgekürzt VEMP): Beim o-VEMP Test macht man sich den vestibulo-okulären Reflex zunutze und misst die Aktivierung der äußeren Augenmuskulatur als Reaktion auf einen Schallreiz, beim c-VEMP Test analog am großen Kopfwendemuskel (Musculus sternocleidomastoideus). Es erwies sich, tieffrequente akustische Anregung der Otolithenorgane in der Regel eine bessere (stärkere) Reflexantwort zur Folge hat als hohe Frequenzen.
Wie bereits zuvor erwähnt, sind die Otholitenorgane des Gleichgewichtsapparates nicht in der Lage zwischen einer Anregung durch Beschleunigung (Vibration, Körperschall) oder einer Aktivierung durch Schall zu unterscheiden. Diesen Sachverhalt macht man sich in der HNO-Diagnostik zunutze wenn man die Funktion des Vestibularapparates untersuchen möchte: Dabei misst man die Aktivierung von Muskeln als reflektorische Antwort auf einen Schallreiz („vestibulär evozierte myogene Potenziale“, abgekürzt VEMP): Beim o-VEMP Test macht man sich den vestibulo-okulären Reflex zunutze und misst die Aktivierung der äußeren Augenmuskulatur als Reaktion auf einen Schallreiz, beim c-VEMP Test analog am großen Kopfwendemuskel (Musculus sternocleidomastoideus). Es erwies sich, tieffrequente akustische Anregung der Otolithenorgane in der Regel eine bessere (stärkere) Reflexantwort zur Folge hat als hohe Frequenzen.
Die Existenz einer etablierten VEMP-Diagnostik ist für unsere Betrachtung extra-auraler Schallwirkungen aber auch hinsichtlich der in Deutschland vorherrschenden Auffassung von Lärmwirkungen von weitreichender Bedeutung: Während das historische psychophysiologische „Lärmwirkungsmodell“ der 1970er Jahre davon ausgeht, dass Schall/Lärm nur zwei Wirkungswege kennt, „direkt“ = Schäden des Innenohrs und „indirekt“ = Stress (alle weiteren Effekte werden als Stressfolgen aufgefasst), so zeigt allein schon das Vorhandensein von VEMPs, dass dieses Modell den heutigen Wissensstand nicht mehr entspricht und darauf aufbauende Normen und Rechtsvorschriften zum Lärmschutz einer Aktualisierung bedürfen.
13.0 Die Relevanz des Tiermodells bei neuro-otologischen Fragestellungen
Ein wertvolles Instrument zur Bestimmung des gesundheitlichen Gefährdungspotenzials einer jeglichen Noxe ist das sog. Tiermodell. Dabei wird für das Experiment eine Spezies ausgewählt, deren physiologische Strukturen hinsichtlich der Fragestellung am besten geeignet sind, z.B. weil deren Ergebnisse am besten auf eine Wirkung beim Menschen übertragbar sind. Für diese Eignung muss ein Nachweis geführt werden – entweder durch Verweis auf entsprechende Quellen, durch eigene wissenschaftliche Arbeiten oder aber, weil allgemein bekannt ist, dass die entsprechenden Strukturen oder Wirkmechanismen in Aufbau und Funktion bei Mensch und gewähltem Tier gleichartig sind, oder nur geringe Unterschiede aufweisen. Sind Unterschiede vorhanden, so werden seriöse Autoren i.d.R. bei einer Gruppe von Veröffentlichungen in einer der ersten Publikationen auf die Übertragbarkeit auf den Menschen eingehen. Für manche Bereiche ist das aber überflüssig, da schon zuvor dutzende von Autoren diesen Nachweis geführt und die Relevanz für den Menschen belegt haben. So gelten zum Beispiel Kleinnager wie Meerschwein, Chinchilla, Ratte und Maus als sehr gute Modelle für die Wirkung von Schallen, LFN und IS auf das Innenohr und die nachfolgende neuronale Verarbeitung der Signale. Es werden zu diesem Zweck sogar genetisch modifizierte, „optimierte“ Mäuse gezüchtet, um schneller (und mit weniger Stress für die Tiere) zu aussagekräftigen Daten zu gelangen.
Die Gründe für das Verwenden von Tiermodellen sind vielfältig. Sicher haben praktische Gründe (geringe Kosten, geringer Platzbedarf, einfache Logistik) eine gewisse Bedeutung, weit wichtiger sind aber die Aspekte der Standardisierung (Vergleichbarkeit) und der Statistik (höhere Aussagekraft einer größeren Anzahl=n). Es sind letztlich aber vor allem ethische Gründe, die die Verwendung von Tieren in der Lärmwirkungsforschung unabdingbar machen: Zum einen beinhalten nach heutigem Wissensstand auch „nicht-traumatische“ Schallbelastungen ein hohes Risiko schwerwiegender Langzeitfolgen (späterer Hörverlust und Folgeerkrankungen), und zum anderen können histologische Untersuchungen, wie sie für den rasanten Wissensfortschritt bei Schallwirkungen in den letzten Jahren notwendig waren, nur am explantierten Innenohr durchgeführt werden. Selbst wenn man für solch eine Prozedur Freiwillige finden würde, keine Ethikkommission der Welt würde aber das dafür erforderliche systematische Verstümmeln von Menschen genehmigen.
Wenn also an mancher Stelle hinsichtlich der Wirkungen einer Noxe wie LFN oder IS bemängelt wird, dass „nur“ Daten aus Tierversuchen vorliegen, oder versucht wird bestehendes Wissen zu den bekannten und wahrscheinlichen Gefahren von Schallwirkungen mit rhetorischen Mitteln zu relativieren, indem nur eine Teilmenge von Effekten mit „beim Menschen im Laborversuch nachgewiesen“ als einzig maßgeblich hervorgehoben wird, wird offenbar, dass bei den Urhebern entweder das Wissen über wissenschaftliches Arbeiten mangelhaft ist, oder dass die Ausführungen eine ausgewogene Darstellung des heutigen Wissensstandes bewusst vermeiden.